Mit Beginn des Neuen Jahres übernimmt bei der Volksbank Spree-Neiße Marian Lattke das Amt des bisherigen Vorstandes Jürgen Stender. Im Doppel-Interview sprechen beide über die bewegte Vergangenheit der Bank und über Chancen und Herausforderungen in der vom Strukturwandel geprägten Wirtschaftsregion Lausitz.
Wechsel im Vorstand der Volksbank Spree-Neiße
Forst, 30.12.2020
Herr Stender, Herr Lattke, schön, dass sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie haben sicher einiges auf dem Tisch mit Blick auf die bevorstehende Übergabe.
Jürgen Stender: Eine gute Vorbereitung ermöglicht, dass man entsprechende Freiräume hat. Außerdem hatte ich ja 15 Jahre Zeit, um mich auf den Tag meiner Ablösung vorzubereiten (lacht).
Marian Lattke: Wir machen ja keinen Ad-hoc-Wechsel, sondern planen das schon seit über anderthalb Jahren. Dadurch ist für mich der berufliche Wechsel vom Teamleiter zum Vorstand ein fließender Übergang und die Schlüsselübergabe gut zu handhaben.
Am Ende einer Karriere blickt man gerne einmal zurück. Wie war das, als Sie 2006 aus Niedersachsen kamen, um hier in der Region ein Vorstandsamt zu übernehmen, Herr Stender?
Stender: Viele haben mich damals gefragt: Warum gehst Du in den Osten? Meist ist die Bewegung doch gegenläufig. Das war für mich aber nie ein Thema. Ich bin zwar in Mühlheim an der Ruhr geboren und im niedersächsischen Stadthagen aufgewachsen, aber da meine Mutter aus dem Sächsischen kommt, kannte ich auch schon die DDR aus früheren Besuchen. Mir war klar: Wenn ich den Job übernehme, dann ziehe ich auch hierher. Klar ist Forst nicht so bekannt in der Welt, aber die alte Tuchmacherstadt hat Charme und eine interessante Historie. Und als alter Rennradfahrer hat mich natürlich die Radrennbahn begeistert. Ich bin hier mittlerweile heimisch geworden und werde auch mit Eintritt in meinen Ruhestand hierbleiben.
Marian Lattke, wäre es für Sie auch infrage gekommen mal ganz woanders hinzugehen?
Lattke: Ich wollte die Region nie verlassen. Ich bin von hier, ich wohne hier, ich kenne die Leute und weiß das Bodenständige zu schätzen. Manch einem mag die Lausitz zu ruhig und zu ländlich sein, aber mir liegt das sehr. Die Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden sind nah gelegen und gut erreichbar und trotzdem hat man zu Hause seine Ruhe.
Zurück zu den Anfängen, Herr Stender. Wie war die Situation der Bank, als Sie damals übernommen haben?
Stender: Die Bank, die damals noch VR Bank Forst hieß, war ja in die Schieflage geraten. Als ich kam, habe ich also einen Sanierungsfall vorgefunden. Ich bin mit meinem Vorstandskollegen Frank Baer hier angetreten, um die Bank wieder auf Vordermann zu bringen. Das hieß: Altfälle sanieren, Personal neu strukturieren und die Filialen umbauen, um sie auf die neue Zeit auszurichten. 24 Stunden am Tag haben da manchmal nicht gereicht. Aber das hat uns Kollegen auch zusammengeschweißt. Es waren spannende und prägende Jahre.
Wie ging es dann weiter?
Stender: Wir sind damals mit der Sanierung gewissermaßen der Bugwelle der 2007 einsetzenden Finanzkrise vorweggeschippert. Das hat es uns in den ersten Jahren nicht einfacher gemacht. Wobei viele der dadurch auftretenden Probleme vorher schon latent waren.
Ein wichtiger Schritt für die Zukunftsfähigkeit des Instituts war dann die Fusion der VR Bank Forst mit der Volksbank Spremberg-Bad Muskau. Im ersten Anlauf sind wir noch am Willen der Spremberger Kollegen gescheitert, aber 2010 konnten wir mit einer fast hundertprozentigen Zustimmung die Verschmelzung vorantreiben. Die Mitarbeiter haben sich prima ergänzt und so konnten wir unser Geschäftsgebiet erweitern und aus zwei Altbanken ein schickes neues Institut formen.
Herr Lattke, sind Sie denn mit der Situation, wie Sie sie vorfinden, zufrieden oder wartet jetzt eine Herkulesaufgabe auf Sie, weil sie alles aufräumen müssen?
Lattke: Ich bin sehr zufrieden. Wir stehen, was die Struktur und die Wirtschaftlichkeit angeht, gut da. Wir wollen uns natürlich weiterentwickeln. Auch was die Kundenbedürfnisse und die technische Weiterentwicklung in Zeiten der Digitalisierung betrifft. Denn die geht auch an der kleinen Volksbank in der Lausitz nicht vorbei. Aber große schwere Aufgaben wie seinerzeit beim Start von Herrn Stender liegen glücklicherweise nicht an. Es geht eher darum, eine gut situierte Bank weiter in die Zukunft zu führen.
Und mit Blick auf die Region? Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie da?
Lattke: Der Strukturwandel hinsichtlich des Braunkohleausstiegs ist in aller Munde. Und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden die Region beschäftigen. Ganz klar. Wobei ich das gerne mit der Situation in den 1990er-Jahren nach der Wende vergleiche. Damals war der Strukturwandel deutlich härter. Eher ein Strukturumbruch, denn es passierte praktisch über Nacht. Der Kohleausstieg geschieht ja schrittweise. Das Kraftwerk Jänschwalde wird 2028 endgültig vom Netz gehen. Das wird strukturiert und vernünftig abgewickelt.
Jetzt geht es darum, die Wirtschaft umzubauen und entsprechende Alternativen zu schaffen, natürlich flankiert von zugesagten Fördermitteln und Beihilfen der Länder und des Bundes. Ich bin guter Dinge: In den letzten 20 bis 30 Jahren hat sich mittelständische Wirtschaft hier entwickelt, sodass die Wirtschaftsstruktur deutlich besser geworden ist. Diese Stärke der Region spüre ich. Gemeinsam mit meinem Vorstandskollegen Frank Baer und unseren Mitarbeitern werde ich hart arbeiten, um diesen Wandel aktiv zu begleiten.
Herr Stender, was ist denn, wenn Ihr Nachfolger nach der Amtsübergabe Sie nach einem Tipp fragt?
Stender: Wenn mein Rat gefragt ist, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Das haben wir auch schon vereinbart. Mir ist es aber auch wichtig, meinem Nachfolger nicht reinzuquatschen. Denn die zukünftigen Entscheidungen muss er letztendlich alleine treffen. Nichts ist schlimmer, als einen neuen Job anzutreten und der Alte quäkt da immer noch rum (lacht). Wenn mein Rat gefragt ist, dann helfe ich gerne und wenn nicht, dann bin ich auch nicht beleidigt.
Lattke: Ich kann nicht voraussehen, wie oft ich das in Anspruch nehmen werde, aber es ist toll zu wissen, dass es diese Möglichkeit gibt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Volksbank Spree-Neiße eG